Von Santiago nach Porto (15,8 km = 977,9 km)
In der Früh schleichen wir aus der Innenstadt, um zum Busbahnhof zu gelangen. Santiagos Straßen sind menschenleer, es ist ein sehr leiser Abschied.
Dann kommen doch noch ein paar Mitreisende und auch der Bus. Ab gehts nach Porto.
Während der Fahrt überlegen wir uns, dass es schön wäre, noch die 1000 km zu knacken. Ralf tüftelt daraufhin an einem Reiseplan, ich unterstütze ihn, indem ich mit Musik in den Ohren äußerst zuversichtlich aus dem Fenster schaue. Ralfs Recherchen haben ergeben, dass unser Bus am Flughafen von Porto hält und dieser liegt etwa 15 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Na bitte, da haben wir doch schon eine Strecke für heute. Wir können es sogar gelassen angehen, denn Portugal liegt in der Zeitzone links neben Spanien.
Die geschenkte Stunde spielt uns in die Hände, denn es gab heute noch nichts zu essen. Wir finden unweit vom Flughafen eine kleine Spelunke mit Gartenterrasse. Es ist wie in einem Western, wenn zwei Fremde einen Saloon betreten: Alle Augen sind auf uns gerichtet und die zuvor sehr lauten Gespräche verstummen. Wandernde Gringos sind hier wohl ein seltener Anblick?! Wir setzen uns und kurz darauf werden die Gespräche an den anderen Tischen wieder aufgenommen. Eine freundliche Bedienung kommt zu uns. Ich bestelle im feinsten Spanisch zwei Bier und die Speisekarte: „Hola, dos cervezas grandes de barril y el menú por favor.“ Einer der pilgernden Portugiesen – Du erinnerst Dich vielleicht – erklärte mir nämlich, dass sich Spanisch und Portugiesisch sehr ähneln. Leider hatte er das der Bedienung nicht erklärt. Sie antwortet: „What?“ Das geht ja gut los, denke ich mir. Zum Glück erinnere ich mich an die andere linguistische Behauptung des Portugiesen: Hier spricht jeder Englisch. Leider hat sich auch diese Aussage nicht bestätigt. Eine Frau am Nebentisch erbarmt sich aber und hilft mir bei der Bestellung. Es geht verblüffend schnell, denn es gibt nur ein Gericht. Ich bestelle es und kurz darauf kommen zwei prall gefüllte Teller mit gebratenen Fleischwürfeln, kleinen Muscheln, Reis und Pommes. Es war ganz lecker aber viel zu viel …
Nach dem Essen rollen wir weiter in Richtung Porto. Im Prinzip geht es immer nur geradeaus die Straße runter. Wir laufen an einer Hausnummer 3994 vorbei. Aha.
Wie schon angedeutet, uns verwöhnten Wanderern gefällt die Strecke nicht sonderlich gut. Porto hingegen hat einen wunderschönen Stadtkern.
Die Erkundung der Stadt heben wir uns aber für den nächsten Tag auf.
In Porto (11,6 km = 989,5 km)
Für heute ist eine kleine Wanderung zur Atlantikküste geplant. Dort soll es einen kleinen Strandabschnitt geben. Vielleicht finden wir dort eine Jakobsmuschel, das hatten wir in Finisterre leider völlig vergessen. Auf dem Weg zur Küste laufen wir durch die Altstadt und sind begeistert.
Porto wurde teilweise auf überraschend abschüssigem Gelände erbaut. Das kann man auf dem Foto leider nicht wirklich erkennen. Ich engagiere daher zwei Laiendarsteller, um Dir meine zuvor getätigte Aussage zu beweisen.
Weiter geht es durch die kleinen Gassen und vorbei an schmalen Häuschen.
Wir machen hier und da natürlich „Boxenstopp“, um unseren Flüssigkeitshaushalt zu regulieren. Immer wieder versuche ich auf Spanisch zu bestellen, bis ich es schließlich aufgebe und Englisch spreche. Es kann schon sein, dass sich die Sprachen ähneln, aber ich klinge vermutlich wie ein Schwede, der in Bayern Deutsch gelernt hat und versucht, in Amsterdam zwei Bier zu bestellen.
Falls Du Dich fragst, wie ich dieses hervorragende Foto quasi von der Flussmitte aus aufnehmen konnte: Hier kommt die Lösung:
Kurz bevor wir den Ozean erreichen, laufen wir durch eine schöne Parkanlage.
Der Atlantik zeigt sich heute von seiner wilden Seite. Die Wellen knallen auf Felsen und auf die Kaimauer des Leuchtturms.
Dann heißt es Abschied nehmen vom Meer, zumindest für diesen Urlaub. Ich habe das Meer lieb gewonnen auf der Wanderung. Klar, ich fand es schon immer schön am Meer, doch hätte ich vorher nie gesagt, dass ich es vermissen würde. Jetzt ist es aber so und ein klein wenig, glaube ich, es beruht auf Gegenseitigkeit. Vielleicht daher der eindrucksvolle Abschied? !
Ein Ruhetag in Porto
Es heißt, jeder Wanderer wird mindestens ein Mal weinen auf dem Camino. Wir dachten, diesem Schicksal entgangen zu sein, doch weit gefehlt. In einem Labor in Porto flossen gestern doch noch Tränen. Dort ließen wir einen PCR-Test machen und zwar im Rachen und danach in beiden Nasenlöchern. Zum Glück blieben der Test sowie das Ergebnis die einzigen negativen Ereignisse.
Die letzten Kilometer (14,6 km = 1004,1 km)
Wir brauchen noch etwas über 10 km und wollen heute auch schon zurück zum Flughafen. Da bleiben nicht viele Optionen, also laufen wir die Strecke von vorvorgestern zurück.
Wir beenden den wirklich letzten Abschnitt unserer Reise gegen 17 Uhr an einem Hotel in der Nähe vom Flughafen. Dort geht es morgen früh zurück nach Berlin. Es fühlt sich noch sehr unwirklich an. Immer wieder rufen wir uns gegenseitig verschiedenste Erlebnisse in Erinnerung. Jedes Mal stellen wir fest, wie lange dieser oder jener Tag bereits zurückliegt. Ein bisschen Wehmut schwingt zwar mit, aber die nächste Reise kommt bestimmt …
Ich habe ja bereits geschrieben, dass Ralf die Wanderungen per GPS aufgezeichnet hat. Aus diesen Daten hat er mir dann folgende Tabellen gebastelt:
Es waren insgesamt 1004,1 aufgezeichnete Kilometer und 21965 Höhenmeter.
Bis gleich …