Den ersten Teil der Strecke an Tag 48 legten wir mit den Öffis zurück. Bereits nach einigen Stationen nahm die Zahl anderer Langnasen merklich zu. Das hätte man übrigens auch mit geschlossenen Augen feststellen können, es gab plötzlich laute Gespräche und sogar Videos mit Ton wurden auf einem Handy abgespielt. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich an meine Rückkehr nach Berlin dachte. Da gibt es quasi nur eine Verhaltensregel: „Mit dem Fahrrad nich in‘ ersten Wagen!“

Nachdem uns die Bahn in einen Außenbezirk von Tokio brachte, hatten wir noch viel Zeit den sonnigen Tag bei einer Wanderung zu genießen. Einige Kilometer folgten wir dem „Sumida River“ und waren überwältigt von der Zahl der Hochhäuser und Wolkenkratzer.

Da wir uns mittlerweile in der Nähe des „Skytree“ befanden, planten wir zunächst, gleich am ersten Tag Tokios höchstes Gebäude zu besichtigen. Während einer Pause schaute ich mir einige Bewertungen anderer Besucher an. Zu meinem Erschrecken las ich von mehrstündigen Wartezeiten an den Wochenenden. Da heute Samstag war, beschlossen wir den Besuch lieber auf einen Wochentag zu verschieben. Nun hatten wir viel Zeit zum Schlendern und ganz in Ruhe „warm zu werden“ mit dieser Mega Metropole.

Unsere Planänderung führte uns mitten in einen nicht erwarteten Festumzug. Das war ein Spektakel, einfach fantastisch. Wir hatten zwar keine Ahnung was hier zelebriert, verehrt oder gefeiert wurde aber das war ja auch nicht wirklich wichtig.

Links die japanische Antwort auf den Schottenrock.

Nach einem ausgiebigen Fotoshooting ruhten wir uns in einem niedlichen Straßenrestaurant aus. Anschließend wollten wir uns noch einen nahegelegenen Tempel anschauen und ahnten nicht, dass dort der Endplatz des Umzugs war. Tausende Menschen versammelten sich vor dem Tempel, klatschen, trommelten und waren bester Laune.

Entschuldige bitte die lausige Qualität. Ich hatte nur eine halbe Sekunde Zeit für den Schnellschuss, hinter mir drängten sich etwa hundert weitere Hobby Fotografen.

Jetzt aber zur Überschrift dieses Eintrags. Ich fand einige Tage zuvor online einen Zeltplatz mitten in Tokio. Auf der Webseite stand, es sei ein Platz für Camping Anfänger, die in der Sicherheit der Stadt mal eine Nacht im Zelt verbringen möchten. Bei der Reservierung wurde eine Lesebestätigung gefordert für die Information, dass sich der Campingplatz unter einer Brücke befindet und es daher laut sein würde. Ich fand das Konzept witzig, wegen der „Sicherheit“ in der Stadt. Wobei das für japanische Städte auch stimmen mag. Außerdem kenne ich niemanden, der unter einer Brücke geschlafen und dafür bezahlt hat, also reservierte ich einen Stellplatz für die heutige Nacht.

Auf dem umzäunten Schotterplatz waren Zeltstellplätze aus Kunstrasen angelegt. Glücklicherweise sind unsere Zelte selbststehend. Wir benötigten somit keinen Presslufthammer, um Heringe in den Boden zu rammen. Auf dem Platz konnte man sich Stühle, Tische und Gasgrills ausleihen, es war daher ein witziger Spot für Firmenfeiern oder Geburtstagsfeten. Dementsprechend war ne Menge los auf dem Plätzchen. Wirklich übernachtet haben neben uns nur fünf andere Menschen. Zwei von ihnen lernten wir am Abend kennen. Einer der Jungs studierte ein Jahr in den Staaten und sprach daher gut Englisch. Ich hatte ein sehr interessantes Gespräch mit ihm und erfuhr wieder einiges über die japanische Kultur. Im Verlauf des Gesprächs kamen wir natürlich auch auf den lustigen Zeltplatz zu sprechen. Ich fragte, ähm nennen wir ihn Jim, ob er „Under the bridge“ von den Red Hot Chilli Peppers kenne. Er lachte und wusste sogar zu berichten, dass sie dieses Wochenende in Tokio auftraten.

Falls du mit dem Gedanken spielen solltest, diese Erfahrung selbst mal zu machen: Lass es sein! Es war nämlich eine vierspurige Eisenbahn-Brücke, außerdem war der Platz von Straßen umgeben. Trotz eingehender Vorbereitung mittels Hopfenkaltschalen vor’m Einschlafen, war die Nacht nicht sehr erholsam.

Tag 49 war bedeckt und aufgrund des diffusen Lichts nicht sehr fotogen.

Bei der Buchung der Unterkünfte in Tokio hatte ich absichtlich verschiedene Stadtviertel ausgesucht. So konnten/mussten wir uns durch die Stadt bewegen auf dem Weg zum nächsten Hotel. Außerdem wollten wir so möglichst unterschiedliche Eindrücke bekommen und nebenbei Sehenswürdigkeiten „abklappern“. Die heutigen Highlights sollten der Kaiserpalast und das Parlamentsgebäude im Zentrum Tokios werden. Wer kann denn bitte ahnen, dass beide Gebäude bzw. Gelände sonntags geschlossen sind?

Näher kamen wir dem Palast des Tennōs nicht.
Auch beim Parlament ging es nicht viel weiter.
Selbst rauchen konnte ich nicht …
Weiter ging es durch kleine Gassen,
vorbei an zwielichtigen Gestalten, auf dem Weg zum Hotel.

Am nächsten Tag nahmen wir ein Bad in der Menge und wollten herausfinden wie das funktioniert mit diesem „Shopping“, von dem alle immer sprechen.

Die Sache mit dem Einkaufen fiel uns schwerer als gedacht. Das lag nicht an mangelnder Auswahl, das Gegenteil war der Fall. Wir waren im „Hands“, das ist eine Art superlatives Karstadt. Dort gibt es einfach alles, verteilt auf 7 Stockwerken, eigentlich sind es 14, da es noch Zwischenetagen gibt. Ich stellte fest, dieses Shopping ist nix für mich. Wenn ich z. B. eine Hose kaufen will, möchte ich mir nicht noch Bettwäsche oder Kühlschränke anschauen.

Zum Glück fanden wir bald darauf ein Kneipenviertel.
Das ist doch … Müsste man mal von oben sehen.
Die Shibuya-Kreuzung ist vermutlich die bekannteste Kreuzung in Japan.

Der turbulente Tag 50 neigte sich seinem Ende entgegen. Zur Beruhigung hier noch ein menschenleeres Foto.