Tag 18 startete interessant. Der Stadtpark von Fuji-Stadt, an dem wir gestern unsere Zelte aufschlugen, wurde Punkt 8 Uhr zum Schauplatz eines Subbotniks (gemeinschaftlicher und unentgeltlicher Arbeitseinsatz im Dienst an der Allgemeinheit). Es versammelten sich etwa ein Dutzend Rentner und begannen den Rasen zu mähen. Einige ordinäre Mäher, drei Rasenkantenschneider und ein Aufsitzmäher kamen zum Einsatz. Außerdem gab es ein kleines Feuerchen für anfallendes Laub oder so. Vielleicht war es auch ein sehr rauchiges Barbecue. Es war eine große Rasenfläche aber früher oder später wurden wir bzw. unsere Zelte ein Hindernis. Um nicht der Arbeitswut der fleißigen Rentner zum Opfer zu fallen, trollten wir uns und packten zusammen.

Das heutige Ziel sollte ein Zeltplatz am Fuße des mächtigen Fuji werden. Der Berg ist wirklich beeindruckend und ich kann durchaus nachvollziehen warum er als heiliger Ort in die japanischen Mythologie eingegangen ist. In einem Gedicht heißt es, dass nach der Trennung von Himmel und Erde nur noch „Er“ geblieben sei, um Zeugniss abzulegen von der einstigen Verbindung. Sehr treffend und durchaus romantisch.

Um an der Überschrift des Eintrages anzuknüpfen: Wir konnten heute den japanischen Ballungsgebieten entfliehen. Allerdings führten unsere Fluchtwege weiterhin über asphaltierte Straßen und Wege. Nun ja, immerhin standen jetzt Bäume am Wegesrand und es waren wieder interessante Vogelstimmen zu vernehmen. Außerdem konnten wir noch das Hinterteil eines Sikahirschs erhaschen, bevor er im Wald verschwand. Da Sikawild die einzige Hirschart hier ist, fiel uns die Bestimmung (auch „Ansprechen“ genannt) relativ leicht.

Nach gerade mal 18 km erreichten wir dann den Campingplatz. Auf der „Haben Seite“ war, er war offen und wir konnten die Zelte aufschlagen. Allerdings war ich verblüfft über die üppige Rechnung. Nach Einbeziehung aller „Extras“, wie Mülltüte, Ausleihgebühr für zwei Klappstühle und Kosten für die Dusche lagen wir bei etwa 50,- Euro, um eine Nacht in unseren Zelten schlafen zu dürfen. Da hatten wir schon günstigere Hotels auf der Reise gehabt. Gut, immerhin hatten diese keinen Blick auf den Fuji.

Der Abend in der Dämmerung.
Schneegestöber auf dem Gipfel.

Den Abend verbrachten wir vor dem Toilettengebäude, da es dort Licht gab. Zwischendurch musste ich kurz zum Zelt und hörte plötzlich etwas rascheln. Ich wandte meinen Kopf zu einer Baumgruppe und blickte verblüfft, im Schein meiner Kopflampe, in ein paar ebenso überraschter Augen. Ein Tier hing in etwa 5 Meter Höhe an einem der Bäume. Was war das? Ich dachte zunächst an ein Eichhörnchen aber der Körper und auch die Augen waren viel zu groß dafür. Ein Waschbär vielleicht? Aber dann sprang es hinüber zum nächsten Baum, der mindestens 8 Meter entfernt stand. Krass. Nach einigen Recherchen fanden wir heraus, dass es ein japanisches Riesengleithörnchen gewesen sein muss. Das war eine umwerfende Begegnung. Leider hatten wir keine Kamera zur Hand.

Als Entschädigung hier ein „Klofoto“.

Mein Tag 19 startete gegen 6 Uhr. Der Wind blies dermaßen hartnäckig, dass der Hering meines Zelteinganges aus dem modderigen Boden des Luxus-Campingplatzes glitt und nun das Überzelt ständig gegen die Innenwand hämmerte. Nach dem zweiten Versuch, diese Schlafstörung zu beseitigen, verlor ich die Nerven und stand auf. Blöderweise dachte ich gestern Abend nämlich, dass es schön wäre den Fuji zu sehen, wenn ich aufwache. Dementsprechend stellte ich es quer zum Berg. Aus dieser Richtung (Norden) kam aber auch der eisige Wind.

Bitte verstehe mich nicht falsch, die Landschaft hier ist fantastisch und nahezu überall wachte der Fuji über uns. Nur eben fehlte ein richtiger Rundwanderweg, um den Berg ohne Straßenverkehr genießen zu können. Wir ergaben uns unserem Schicksal und konnten sogar einen Kompromiss mit „Asama no ōkami“ (Göttin des Berges) aushandeln.

Und der war streckenweise gar nicht schlecht.
Den japanischen Ahorn gibt es auch im immerroten Kleidchen. Schon hatte ich eine ungefähre Ahnung davon, wie es hier und dort im Herbst aussehen könnte.
Die örtlichen Gullideckel waren schön anzuschauen und ich musste mir keine Städtenamen merken. Beides toll.
Wir hatten heute sogar Zeit für einen kurzen Museumsbesuch. Eigentlich wollten wir dort frühstücken aber das Restaurant war noch nicht geöffnet.
Also bewunderten wir die Exponate.
Das war ne bunte Mischung… Irgendwie.
Ich weiß es auch nicht genau aber die Sonne ließ sein oder ihr Auge leuchten. Das wollte ich dir nicht vorenthalten.
Die kennst du ja schon…

Der Tag plätscherte geradezu dahin. Wir steuerten wieder einen Zeltplatz an. Gleich daneben sollte sich ein hervorragendes Restaurant befinden. Perfekt, so dachten wir zumindest. Denn vor Ort angekommen, fanden wir zwar beide Einrichtungen aber sie waren verschlossen. So eine Weitwanderung erfordert viel Flexibilität und Kompromissbereitschaft, zu beidem waren wir durchaus bereit. In den darauffolgenden zwei Stunden klapperten wir sämtliche „Google-Einträge“ auf der Suche nach Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten sowie Zeltstellplätzen ab. Doch da war zunächst nix zu löten.

Dieser fantastische Family Mart befand sich etwa 5 km von unserem letzten Standort und löste gleich zwei unserer Probleme: Essen und Bier.

Nach einer kleinen Stärkung löste sich auch das letzte Problem. Wir fanden online einen nahegelegenen Zeltplatz. Doch kurz bevor wir uns aufmachen wollten zur letzten Etappe des Tages, brach ein chinesischer Besuchersturm über uns herein. Etwa 40 Touristen überrannten uns förmlich (und das ist keine Übertreibung), nachdem ein Reisebus seine Türen öffnete, um den fotohungrigen Menschen einen Blick auf den Fuji zu präsentieren. Wir schnappten unsere Rucksäcke und ergriffen die Flucht. Nach weiteren 2 Kilometern erreichten wir den Campingplatz und fanden ein schönes Plätzchen für die Zelte. Da wir uns mittlerweile in einer Höhe von etwa 900 Metern befanden, wurde die Nacht recht schattig. Es waren 7 Grad Celsius vorausgesagt und so kam es dann auch. Glücklicherweise hatte Fujin (Gott des Windes) Mitleid und behelligte uns in dieser Nacht nicht, trotzdem war es kein Zuckerschlecken. Ich kroch mit langen Unterhosen und einer Jacke in meinen Schlafsack und zitterte mich in den Schlaf. Mitten in der Nacht wurde ich wach und vernahm Hufgeräusche auf dem Schotterweg neben dem Zelt. Das Sikawild wunderte sich bestimmt über den Geruch aber das konnte ich in diesem Moment nicht ändern. Ich versuchte wieder einzuschlafen, was auch gelang.

Tag 20:

Der Fuji mit Kühen im Vordergrund.

Du musst schon entschuldigen aber wir umrunden den Berg, daher werden diverse Fotos desselben nicht ausbleiben.

Hier wurde, ohne Quatsch, eine Birke mit der japanischen Kirsche gekreuzt.
Dieser Engel mit Spitzohren markierte den Übergang in die Präfektur Yamanashi.
Was hier los war konnte ich leider nicht herausfinden. Vielleicht eine Art Liverollenspiel?
Oder Dreharbeiten für einen japanischen Actionfilm?

Danach entdeckten wir im Wald einen Tempel. Ich finde diese Eingangstore sehr ansprechend und formschön. Das könnte eine neue Idee für ein Tattoo werden?!

Dieser Ausflugsdampfer könnte bereits die Beatles inspiriert haben. Wer weiß?

Dann neigte sich auch der heutige Tag dem Ende entgegen. Wir fanden einen Platz für die Zelte und ich fing an den Blog weiterzuführen. Hier waren viele Touristen aber wir „Langnasen“ waren offensichtlich die Hauptattraktion, zumindest nachdem der Fuji in der Dämmerung verschwand.

Ralf fing eine Szene mit dem Handy ein: Umzingelt von Koreanerinnen.